Roland Werth schrieb:Hallo Herr Zacher,
.....
Die Banken verdienen ihr Geld mit der Zinsdifferenz (Aufnehmen des Geldes kurzfristig, verleihen langfristig). ....
Das soll ja eine namhafte deutsche Großbank Anfang der 80-er Jahre versucht haben und wäre dadurch fast in Insolvenz gegangen. Mit einiger Finanzakrobatik konnte diese namhafte Großbank, damals die Nummer drei unter fünf deutschen Großbanken die Insolvenz abwenden.
Bei der Finanzierung in verbindung mit der Refinanzierung ist das Thema Fristenkongruenz sehr wichtig, d. h. es muss - bis auf einige Ausnahmen -bei Einlagen und Ausreichungen die Fristigkeit übereinstimmen.
Fristenkongruenz ist nicht erst seit gestern ein Thema der Bankaufsichtsbehörden. Mit der Zinsdifferenz bei den Fristigkeiten verdienen die Bank verhältnismäßig wenig Geld. Das ist auch in jedem Geschäftsbericht der Banken nachzulesen. Geld verdienen die Banken bei der Zinsdifferenz zwischen Einlagen und Ausreichungen.
Roland Werth schrieb:
Ich bin jetzt ein wenig irritiert, dass Sie Herr Zacher, der Sie der fundamentalen Analyse zugeneigt sind, davon noch nichts gehört haben. Soll kein Angriff sein. Aber ich habe in der Vergangenheit gesucht und gefunden, dass einige der großen Player aufgrund der Zinsdiffenenz eine Rezession in 2008 für sehr wahrscheinlich gehalten haben.
Roland
Wer sagt denn, dass ich davon noch nichts gehört habe?
Ich habe mit diesem Thema in der Praxis ständig zu tun gehabt!
Und glauben sie mir, wenn Sie lange danach suchen, werden Sie große Player finden, die den großen Crash 1929 oder den kleinen Crash 1987 vorausgesagt haben.
Entscheidend ist aus meiner Sicht nicht, wer wo was vorausgesagt hat, sondern, ob er damit auch Geld verdient.
Ich kann mich heute noch immer an eine Person erinnern, die immer laut rumbrüllte: "Die XY-Aktie muss man heute kaufen!" Wenn die Aktie dann am nächsten Tag tatsächlich um 0,7% gestiegen war, sprach er mich immer an, ob ich die Aktie gekauft hätte und seine Prognose doch so treffend gewesen sei. Fiel die Aktie aber, dann herrschte Funkstille. Anfangs sprach ich ihn dann noch darauf an: "Danke für den Tip der XY-Aktie, die sollte man noch halten, oder?" Er suchte dann Gründe, warum die Aktie steigen müßte. Wann man Aktien wirklich kauft, das wollte er wahrscheinlich nie ergründen. Schade eigentlich, denn er hatte immer sehr starkes Interesse an der Börse, die entscheidende Ernsthaftigkeit dieses Geschäftes ging ihm aber ab.
Entscheidend im Börsengeschäft ist, dass man eine Strategie hat und diese absolut diszipliniert fährt. Mich interessiert nicht, ob ich mit einer Aktie 100% oder 500% verdient habe - mich interessiert lediglich, was mir meine Strategie und meine Gesamtzahl aller Geschäfte in EUR unter dem Strich bringen. Dafür, dass ich den Zusammenbruch des Neuen Marktes vorausgesagt habe, kann ich mir nichts kaufen. Aber das Shorten von US-Technologiewerten in 2002 hat mir viel Geld eingebracht. Und hier habe ich - im Gegensatz zum Neuen Markt - gehandelt.
An der Börse gibt es ungemein viel Binsenweisheiten, die immer wieder auftauchen. Die von Ihnen geschilderten Zinsstrukturkurven werden immer wieder gerne von Analysten und Investmentbankern hervor gebracht. Ich persönlich konnte hier sehr selten verlässliche Schlüsse daraus ziehen.
Ich übernehme an der Börse nie Meinungen anderer, ohne diese vorher genau geprüft zu haben. Meistens sind es Zufälle, die einen auf bestimmte Dinge aufmerksam machen. Vor einigen Monaten war ich in einer Aktie short positioniert, die Anstalten machte eines meiner symetrischen Dreiecke zu bilden. Urplötzlich wurde mir klar, dass die Aktie ein sog. One-Day-Reversal gebildet hat. NAchdem die Aktie am Folgetag stark anzog, stellte ich die Position glatt. Innerhalb von drei Monaten stieg diese Aktie um fast 50%.
Da kam mir der Gedanke: Warum hast Du Dir noch nie das One-Day-Reversal genau angesehen? Alles, was ich bisher vom One-Day-Reversal sah, ist das eine sehr zuverlässige Formation. Prompt griff ich zur Lektüre von Herrn Bulkowski über Chartformationen - und was schrieb dieser? "Das One-Day-Reversal ist nicht nur eine unzuverlässige Chartformation, viel schlimmer noch, sie bringt kein Geld!" Bumm! So, wer hat nun recht? Meine Erinnerung, es handle sich möglicherweise um ein hervorragendes Signal, das ich als solches in den vergangenen Jahren immer wieder in den Medien wahrnahm oder hat Bulkowski doch recht?
Zu diesem Zweck programmierte ich in Tai-Pan ein bullishes und ein bearishes One-Day reversal und glich dies auf ein ganzes Jahr bei allen deutschen, europäischen und US-Werten ab. Das machte eine Menge Arbeit, aber das war es mir wert.
Das Resultat war sehr ernüchternd!
Ich kann mich heute Bulkowski in seiner Meinung nur anschließen. Das One-Day-Reversal ist - aus meiner Sicht - ein sehr unzuverlässiges Chartsignal, das zudem nur sehr selten guten Profit abwirft.
Folge: One-Day-Reversal werde ich zukünftig nicht handelmn!
Natürlich werde ich das One-Day-Reversal in anderen Marktphasen nochmals testen, aber für mich ist dieses Signal nichts oder nur wenig wert, um auf dieses Signal Positionen einzugehen.
Für mich ist es wichtig: Was funktioniert in der Praxis an der Börse. Die Theorie ist in allen Disziplinen wenig wert, wenn es in der Praxis nicht funktioniert.
Lieber Herr Werth,
ich habe von unzähligen Theorien an der Börse gehört, doch leider funktionieren nur ganz wenige auch in der Praxis. Was wollen wir uns beide mit tausenden von Theorien aufhalten, wenn wir beide uns doch hauptsächlich mit der Praxis beschäftigen. Daher würde ich mich freuen, wenn Sie von langfristigen (!) Erfolgen in der Praxis berichten würden. Welche Indikatoren oder Konstellationen denn aus Ihrem Erfahrungsschatz (und nicht von irgendwelchen Theoretikern!) in den letzten Jahren anstandslos funktioniert haben und welche nicht.
In diesem Sinne
schönes Wochenende
W. Zacher