Hallo Taxus,

ich gebe Dir völlig recht! Es soll ein konstruktiver Austausch sein bzgl. der Anwendung Tai-Pan sein. Man kommt dann vielleicht auf die eine oder andere Idee.

Bzgl. Indikatoren und Literatur habe ich meine eigene Meinung - aber die habe ich hier bereits kund getan.

Ich persönlich halte mich an "mein System", das seit über zwanzig Jahren sehr erfolgreich ist. Indikatoren benötige ich dazu nicht. Mir fällt auf, dass in den letzten Jahren unheimlich viel Börsenliteratur auf den Markt gekommen ist, wo immer wieder voneinander abgeschrieben wird. Im Moment räume ich meine Börsenbibliothek um - das sind ca. 300 Bücher - und da laufen mir Namen über den Weg, die vor zehn oder fünfzehn Jahren so etwas von "in" waren und die heute kaum noch einer kennt. Wahrscheinlich werde ich einen Teil dieser Literatur weg geben, da sie einfach nichts her gibt.

Bzgl. Tai-Pan bin ich der Meinung, hier gibt es immer wieder Ansätze, wie man etwas verbessern oder optimieren kann. Auf viele Ideen kommt man alleine gar nicht, die einem aber enorm weiter helfen können. Deshalb ist es interessant von anderen hier zu erfahren, wie sie Tai-Pan nutzen.

Da bei mir aktuell viel los ist, komme ich jetzt erst dazu Dir zu antworten.

Ich muss mich leider aus Zeitmangel etwas kurz fassen, werde aber immer wieder auf Deine Fragen und Beiträge eingehen.

Zunächst einmal: „Was mache ich überhaupt börsentechnisch?“

Mein Ansatz ist in erster Linie fundamental. D. h. ich untersuche, was passiert volkswirtschaftlich, was passiert in der Weltpolitik, was passiert in den einzelnen Branchen und stoße so immer wieder auf irgendwelche interessanten Investments, sei es Wachstumsstories, Turn-arounds oder völlig überbewertete Titel auf die ich dann setze. Hier hilft mir Tai-Pan: Wie war die Kursentwicklung, wann waren massive Kursbewegungen und ich projiziere das dann darauf, was in der Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit passieren könnte.

Meistens profitiere ich von langfristigen Entwicklungen, die zwischen einem halben Jahr und auch einmal zehn Jahre liegen können. Meine Maxime bei langfristigen Engagements ist: Aktien und Anleihen sollen ein Kurspotenzial von mindestens 100% - Optionen von 300% haben. Das gilt für langfristige Zyklen! Natürlich werde ich keine Aktie auf zehn Jahre Sicht kaufen, der ich ein Potenzial von 150% einräume – das ist unprofitabel.

Ein Beispiel für 10-Jahres-Investements sind bspw. die US-Banken Anfang der 90-er Jahre oder russische Aktien 1998. Die US-Banken hatten Ende der 80-er Jahre/Anfang der 90-er Jahre eine riesige Pleitewelle hingelegt und man konnte US-Großbanken für einen Apfel und ein Ei einsammeln. Hier sind dann Charts ungemein hilfreich. Ich weiß gar nicht mehr, ob ich mich damals Tai-Pan oder der Vorgängerversion „Chart-Heft“ bediente – wichtig waren für mich die Entwicklung der Aktien und die Aktienumsatzentwicklung. Aufgrund dieser Hinweise sammelte ich nach und nach verschiedene US-Banken ein und verkaufte diese Anfang dieses Jahrtausends, da mir die US-Banken zu viel Blödsinn trieben und ich der Entwicklung sehr skeptisch gegenüberstand, was sich im Nachhinein dann auch als richtig herausstellte. Das weiß man aber erst immer hinterher!. Interessant ist hierbei, dass meine Dividendeneinnahmen dieser Investments ab 1998 den ursprünglichen Einsatz meines Investments überstiegen.

Und hier setzte ich einmal bei der Anwendung von Tai-Pan an:
In den 90-er Jahren habe ich viel mit Indikatoren rumgebastelt. Hier werden kilometerweise Bücher geschrieben, die ungemein viele Fehler aufweisen und Systeme preisen, die meist nicht funktionieren oder nur in bestimmten Phasen funktionieren. Ich will es an dieser Stelle kurz machen: Wer Indikatoren verwenden will, soll das tun – ich mache das nicht! In extremen Marktsituationen versagen diese Indikatoren meist. Alle erfolgreichen Trader oder Investoren, die ich kenne, wenden keine oder kaum Indikatoren an. Aber wer will, soll das tun!

Wichtig für mich ist das Chartbild. Als ich noch selbst Charts mit der Hand auf Millimeterpapier zeichnete, da in den 80-er Jahren noch nicht an eine Chartdarstellung mittels Computer zu denken war, wurde mir schon klar, dass mit verschiedenen Darstellungen ein Chart völlig anders aussehen kann. So habe ich aktuell ca. 15 diverse Layouts in Tai-Pan konfiguriert, die einen normalen Balkenchart gestreckt, gestaucht, und normal anzeigen – einmal mit Umsatz – einmal ohne Umsatz – einmal auf 3 Monate – einmal auf 9 Monate – einmal auf 2 Jahre – Langfristchart zurück in alle Ewigkeit - dann das Ganze nochmal auf Wochenbasis. Und hier setze ich bei dem Entscheidenden für mich an: Wo sehe ich Auffälligkeiten am Chart? Und dann geht es in die Fundamentalanalyse: Letzte Meldungen, Bilanzen ansehen, wer kann Interesse daran haben, das Papier zu kaufen oder auch zu verkaufen, etc.

Hier hilft mir bspw. der Tai-Pan Ticker – der nicht nur Ad-hoc-Meldungen anzeigt, sondern auch Marktanalysen von Banken und Brokern, die für mich in bestimmten Marktphasen hervorragende Kontraindikatoren darstellen.

Über den Tai-Pan-Filter sortiere ich Aktien heraus, die neue Hochs und Tiefs gebildet haben oder nahe an neuen Hochs oder Tiefs liegen. Eine einfache und simple Methode. Hier bin ich in der Vergangenheit aber immer wieder auf den einen oder anderen Wert gestoßen, der dann sehr profitabel war.

Ungemein hilfreich sind die Tai-Pan-Listen. Über Gewinner/Verlierer bezogen auf diverse Zeiträume stößt man immer wieder auf interessante Entwicklungen. Wichtig ist hierbei für mich: Welche Branchen laufen und welche nicht? Ist das fundamental begründet? Eine wunderbare Sache waren hier für mich deutsche Solarwerte, die alle leider sehr markteng waren. Die haben so laut vor einem Jahr „Verkaufen“ geschrien, dass ich hier gar nicht so viele Aktien leer verkaufen konnte, wie ich wollte. Hier bin ich u. a. über die Tai-Pan-Listen drüber gestolpert, da alle Welt diese Aktien empfohlen hat, diese aber in den Gewinnerlisten kaum auftauchten, sich also kaum noch bewegten. Ein Anzeichen für mich, dass hier etwas nicht stimmen kann und man nachforschen sollte.

Eine weitere interessante Liste ist meine Vola-Liste. Diese zeigt die unterschiedlichen historischen Volatilitäten der Aktien an. Eine wichtige Grundlage zur Auswahl von Optionen. Viele Investoren nutzen dazu auch die Bollinger-Bänder. Das ist aber Geschmackssache. Mir ist lieber, ich habe hier die historische Vola von vier Zeiträumen auf einen Blick, das ist für mich übersichtlicher.

Wenn wir schon bei Optionen sind, komme ich zum Optionsrechner von Tai-Pan. Ich habe zwar auch einen Optionsrechner auf Excel, den nutze ich aber nur für Optionen, die nicht in Tai-Pan enthalten sind – sprich vorwiegend Amiland. Jetzt taucht wieder eine Glaubensfrage – wie bei den Indikatoren - auf: Was von den vielen „wichtigen Sachen“ bei Optionen muss ich wissen? Ein Optionshändler würde mir nun sagen: „Du mußt auf jeden Fall wissen, wie sich das Delta und das Gamma der Option zum Underlying verhält, wenn das Underlying um 1% oder 5% steigt oder fällt!“. Als Trader interessiert mich weder das Delta, noch das Gamma, da ich weder Delta-Hedging, noch Gamma-Hedging betreibe. Mich interessiert lediglich: Welche Kurserwartung habe ich in welchem Zeitraum (ganz wichtig bei Optionen!) und wo steht meine Option, wenn zum Zeitpunkt X, das Underlying meine Kurserwartung erfüllt hat. Macht dann ein Engagement in der Option Sinn oder nicht? Immerhin risikiere ich hier den Totalverlust.
Der Optionsrechner von Tai-Pan bietet mir hier eine einfache Hilfe, da ich die Daten nicht manuell eingeben muss und ganze Serien relativ schnell für mich durchrechnen kann.

Hier setzen dann auch die Listen und Filter wieder an. Optionsscheine verwende ich sehr selten. Hauptsächlich handle ich EUREX-Optionen oder Optionen an anderen Terminbörsen. Manchmal weiche ich aber auf Optionsscheine aus. Hier werden über das Filtermodul Laufzeiten eingegrenzt oder Emittenten, die ich nicht mag, ausgegrenzt.

Listen verwende ich bei der Auswahl von Anleihen. Das kann manchmal sehr lukrativ sein, obwohl ich seit etwa vier Jahren kaum Anleihen gehalten habe und hier sehr restriktiv bin. Aktuell halte ich eine Unternehmensanleihe. Hier bin ich zufällig über den Punkt „EXTRA“ im Aktienchart gestoßen – nach dem Motto: „Gibt es hier auch Optionsscheine oder eine Anleihe?“ Nachdem ich den Kurs der Anleihe sah, fiel die Entscheidung auf die Anleihe und nicht auf die Aktie.

Neben dem mittel- und langfristigen Traden, betreibe ich noch Positiontrading. Hier halte ich kleine Positionen gewöhnlich für ein paar Tage oder Wochen. Das ist lukrativ - kommt aber an meine Performance der mittel- bis langfristigen Investments nicht ran.