Sehr geehrter Herr Hauck,

ich bin mir nicht ganz sicher, was Sie unter "Gewinnrendite" verstehen? Meinen Sie damit den "RoE"? Also den "Return on Eyuity"?

Wenn Sie auf Benjamin Graham hinaus wollen, werden Sie nicht umhin kommen, sich die Bilanzen der Unternehmen genauer anzusehen. Die reinen Kennzahlen helfen Ihnen dabei nicht viel weiter, denn Kennzahlen kann man schönen. Seien Sie sich bewußt, dass die Bilanz zu einem Bilanzstichtag erstellt wird.

Es gibt einige Tricks, wie man über den Bilanzstichtag hinaus Bilanzen schönen kann. ein ganz einfaches Beispiel sei hier erwähnt: Der Forderungsverkauf. Nehmen wir an, Sie haben ein Unternehmen mit einer Bilanzsumme von 100 Mio. EUR. In dieser Bilanz stehen Forderungen an Lieferanten von 25 Mio. EUR. Auf der Passiva haben sie ein Eigenkapital von 20 Mio. EUR. Damit haben Sie eine Eigenkapitalquote von 20%.

Die Firma verkauft nun vor dem Bilanzstichtag Forderungen über 20 Mio. EUR. Dadurch verkürzt sich die Bilanzsumme um 20 Mio. EUR auf nun 80 Mio. EUR. Bei einer Bilanzsumme von nun 80 Mio. EUR und einem Eigenkapital 20 Mio. EUR ergibt sich eine Eigenkapitalquote von 25%.

In ihrem Datenblatt werden nun 25% Eigenkapital ausgewiesen.

Ähnliches gilt bspw. für den Return on equity. Hier können Leistungen, die eigentlich keine Leistungen darstellen, durch alle möglichen buchhalterischen Tricks, als Leistungen dargestellt werden und fließen somit als positives Ergebnis in den "RoE" mit ein. Es gibt hier Branchen, die haben hier wahnsinnige Spielräume. Ich hatte das in meinem letzten Webinar am Beispiel der Nordex erwähnt. Nordex gab zwar charttechnisch ein Kaufsignal, aber die Fundamentaldaten waren mir zu wacklig und bei Windparkprojektierern weiß kein Mensch, was die wirklich in der Bilanz ausweisen.

Sehen Sie sich einmal bitte die letzten Bilanzen der Praktiker AG an, solange diese noch online geschaltet sind und vergleichen Sie einmal die Kennzahlen dieser Gesellschaft. Ich wage die Behauptung, die Insolvenzquote bei Praktiker wird sich auf nahezu Null belaufen bei Abschluss des Insolvenzverfahrens. In der Bilanz weißt das Unternehmen aber Vermögensgegenstände in dreistelliger Millionenhöhe aus.

Soweit zunächst zu Benjamin Graham. Ich möchte Ihnen Ihren Enthusiasmus nicht rauben. Um mit Benjamin Graham aber Erfolg zu haben, sollten Sie sich in die Materie Bilanzpolitik und "wie liest man eine Bilanz", sowie mit Geschäftsmodellen von Unternehmen ernsthaft beschäftigen. Das ist extrem mühselig und anfangs sehr schwer. Aber es lohnt sich!

Nun zu Ihrem eigentlichen Problem:

Ich verwende die von Ihnen beschriebenen Daten oft für eine Vorauswahl. Dabei verwende ich ganz normale Excel-Sheets. Das ist am einfachsten und praktikabelsten, denn Sie können diese Daten dann sehr gut auswerten.

Einerseits können Sie die Daten aus dem Tai-Pan-Listenmodul relativ einfach in Excel übertragen und von dort auswerten. Andererseits sollten Sie immer beachten, welche Daten Sie als überhaupt zuverlässig betrachten. Bspw. bei den Dividenden- und Gewinnschätzungen für deutsche Unternehmen ziehe ich das Handelsblatt oder Börse online zu Rate. Die sind seit Jahren - aus meiner Sicht - sehr zuverlässig.

Mit Excel ist dann ein Vergleich mit den 10-jährigen EUR-Swap-Sätzen bzw. den 10-jährigen Anleiherenditen von Bundesanleihen ein Knopfdruck und Sie haben ständig die Relation Gewinn zu bundesanliehen bzw. Dividendenrendite zu Bundesanleihen auf dem Bildschirm.

Seien Sie sich aber bewußt, dass Ihnen in der aktuellen Marktphase - Stichwort: Niedrigzinsphase - dieses Modell wenig bringt.

Ich hoffe Ihnen hiermit geholfen zu haben. Frü Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

Gruß
W. Zacher